«Пёстрый Магдебург»

Автор: администратор

Построив посёлок Фалькенберг, произведя фурор «Призывом к цветному строительству», Таут отправился в Магдебург, советником по строительству. Этот серый промышленный город, бывшая крепость, срочно нуждался в обновлении — и Таут его принёс.

Через несколько лет словосочетание «Пёстрый Магдебург» стало едва ли не единственно возможной ассоциацией, произнеси кто-либо где-нибудь имя этого города. Критики («Zentralblatt der Bauverwaltung», 18.11.1922 — «Das bunte Magdeburg«) писали:

«Die vor mehr als Jahresfrist in Magdeburg durch den Stadtbaurat Taut ins Leben gerufene Bewegung, das Stadtbild durch Einfügung der Farbe zu verschönern, erheischt eine eingehende Stellungnahme. Der Tautsche Versuch ist so weit gediehen, daß es angängig ist, sowohl das bisher Geleistete zu beurteilen, als sich über die Möglichkeit der weiteren Durchführung Vorstellungen zu bilden.

Die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für ein derartiges Unternehmen sind z.T. im Ortsatatut gegeben, das den Marktplatz, den „Breiten Weg» und einige andere Straßen und Plätze in der bekannten Weise unter Schutz und Aufsicht dafür berufener Organe stellt. Eine weitere Voraussetzung müßte in dem weitestgehenden Verständnis und Wollen zur Mitarbeit in den Hausbesitzer-, Handwerker- und Künstlerkreisen bestehen; dieser Wille zur Mitarbeit muß schließlich einen festen Grund haben in der Persönlichkeit des Mannes, der den Taktstock bei dem gesamten Unternehmen zu schwingen unternommen hat.

Magdeburg hatte es nötig, sein Äußeres einmal gründlich aufzufrischen. Reich an alten köstlichen Baudenkmälern, die bis auf die Zeiten Ottos des Großen zurückgehen, war es auch in der Neuzeit bemüht, sich als Industrie- und Handelsstadt sowie als Verwaltungsmittetpankt ein würdiges äußeres Ansehen zu geben; die Tatsache aber, daß es außerdem eine Festung war, engte solche Bestrebungen erheblich ein. Überhöhe Wohngebäude bis zu sieben Geschossen, an engen dunklen Straßen liegend, dazu die stark in die Erscheinung tretende, leider nicht zu vermeiden gewesene äußere Vernachlässigung während des Krieges machten das Bedürfnis nach Helle, Frische, nach einem Großreinemachen außerordentlich dringend. Dazu kommt die auch in Magdeburg wütende Reklamepest, welche das gesamte Stadtbild verschandeln hilft. Die krämerhaften Ankündigungen der kleinlichsten, belanglosesten Bedürfnisse schieben sich aufdringlich in den Gesichtskreis eines jeden hinein und überwuchern pilzartig alles, was frühere Geschlechter als stolzes, ehrliches Bekenntnis dessen hinterlassen haben, daß sie ihre nüchtern-tüchtige Tagespflicht in einer Umgebung verrichten wollten, die auch von der Ethik ihrer Lebensauffassung Zeugnis ablegen sollte. Dies alte schöne Magdeburg war in seinem Äußeren hierdurch sehr zu seinen Ungunsten verändert. Der Gedanke, das notwendige Säubern und Anstreichen hier zentral in die Hand zu nehmen und dabei die Farbe in den Vordergrund treten zu lassen, war durchaus nicht befremdlich. Er ist ja auch an anderer Stelle aufgetaucht und hat seit Magdeburg Schule gemacht. Das „Wie» war die große Frage. Eine Straße, ein Platz könneii farbig nicht so beherrscht werden wie ein Innenraum, dessen Bildung völlig, dessen Belichtung zum größten Teil in der Hand des gestaltenden Künstlers liegt. Hier setzt die ablehnende Kritik an Tauts Plänen bereits ein. Man ist gewöhnt, daß eine einheitliche lebhafte Färbung der Dächer, die farbige bewußte Betonung einiger Hauptpunkte, die geschickte Anordnung von Grün- und Blumenschmuck bei sonst farbig schlichter Behandlung der Platz- und Straßenwände die leicht innezuhaltende Grundlage für eine einheitliche Farbenerschelnung des Stadtbildes abgeben mußten. Die stets wechselnde Beleuchtung unseres Himmels, die die reichsten Möglichkeiten ständig abwandelt wie der geschickte Beleuchtungsmeister eines Schauspiels, genügte den meisten, um die zurückhaltende Farbigkeit unserer Städte begründet erscheinen zu lassen. Das feinere Bedürfnis nach Farbenreiz wurde daneben au dem Schimmer gesättigt, den die Verwitterung in reichem Wechsel auf Mauern und Dächern hervorruft. Auch Magdeburgs alte Türme z. B. gewinnen in einem für Farbenreize empfänglichen Auge den Glanz sanft schillernder Opale. Es bleibt zweifelhaft, ob diese zarteren Reize jetzt nicht gänzlich durch die von Taut bevorzugten ungebrochenen kräftigen Töne in Gefahr sind unterdrückt zu werden, selbst wenn die ausgleichenden Witterungseinflüsse die neuen Hausanstriche allmählich abgetönt haben sollten.

Es ist entschieden weiter ein Wagnis, das größten künstlerischen Takt erfordert, die auf die Formensprache abgestimmten Architekturen, wie sie nun einmal bestehen, vorzugsweise in ungebrochenen Farben zu bemalen. Diese ungebrochene Farbe erfordert eine Begrenzung der Flächen unter vornehmlicher Berücksichtigung der Gesetze der Farben. Sind diese Flächen aber schon vorher ohne Kücksicht auf farbige Behandlung begrenzt worden, so bleibt nur übrig — will man an der ungebrochenen Farbe festhalten —, die gegebenen Formen und Flächenbegrenzungen zu vergewaltigen. Man kann also etwa Pilaster, welche als einheitliche Form gedacht sind, nicht mehr einheitlich in der Farbe behandeln und opfert damit die Form. Diese Notwendigkeit tritt bei den aus der Hitzig-Zeit stammenden Architekturen ständig auf und führt leicht zu einer Mißachtung der Ärchitekturformen überhaupt, was einseitig und unbegründet ist.

Das Stadtbauamt macht an einigen Stellen den Versuch, diesen Kompromiß zwischen Form und Farbe durch möglichste Vielfarbigkeit zu lösen. Wir können eine derartige Häusergruppe in der Kaiserstraße 14/15 sehen und gehen wohl nicht fehl, in diesem gänzlich bunt in allen Farben des Regenbogens auftretenden Anstrich den Verständigungsfrleden zu erblicken, den Taut mit Hitzig und seinen Nachfolgern zu schließen für richtig hält. Ein Urteil ist noch nicht endgültig zu fällen, weil die Bemalung der Nachbarhäuser noch nicht ausgeführt und es daher noch nicht zu übersehen ist, ob diese Häusergruppe etwa den besonders farbigen Mittelpunkt einer ruhigeren Umgebung bilden soll oder ob diese Umgebung die gleiche Behandlung erfahren soll, wie die jetzt angestrichenen Häuser sie zeigen.

An anderen Stellen der Stadt sieht man, daß einige Architekten und Maler diese Formenarchitekturcn nur in gebrochenen Tönen behandeln und sich mit wenigen Farbentönen begnügen. Am Preußischen Hof, Breiter Weg 155, ist der Versuch gemacht, mit ganz dunklen Grundtönen und wenigen Farben der geschilderten Aufgabe gerecht zu werden. Auch kommen Versuche vor, ein solches Gebäude einheitlich in einer einzigen lebhaften Farbe mit nur geringen Tonabwandlungen anzustreichen. Sehr sehenswert ist das Gebäude der „Magdeburger Volksstimme», welches in den Farben Schwarz-Rot-Gelb gestrichen ist. Das formal unschöne Gebäude hat unleugbar gewonnen, aber nur dadurch, daß die schlechte Formenarchitektur durch die Farbe einfach unterdrückt ist. Lediglich zum Zwecke des Totschiagens formaler Unschonheiten ist es wohl geschehen, daß die mit abgeschrägten Seiten uns der Fläche eckig und häßlich hervortretenden flankierenden beiden Erkerbauten an jeder Seite farbig anders behandelt sind, an einem Erker etwa die rechte Schräge gelb, die linke rot, die Mitte wieder gelb, während der Zwillingsbruder dieses Erkors seine entsprechenden Seiten in anderen Farben präsentiert. Die unschöne Erkerform wird hierdurch in ihrer körperlichen Erscheinung völlig zurtlckgedrängt, das Haus hat gewonnen, der Kompromiß bleibt fühlbar, wie auch die Absicht erst dem nachgrübelnden Verstände deutlich wird. Da eine Verbesserung nicht zu leugnen ist, ist die Schidd für das nicht völlig befriedigende Bild mit Kecht zum größeren Teil auf die gescholtene Schablonenarchitektur der 80er Jahre, und das Verdienst auf Taut zu schieben. Der Witterungseinfluß muß noch hinzukommen, um zwischen der Farbwirkung der alten Dächer und dem Neuanstrich der Fassaden zu vermitteln. Dies muß allgemein für alle Hausbemaluugen ausgesprochen werden, ebenso wie die Befürchtung, daß die Farbenfreudigkeit in Magdeburg doch wohl in manchen Fällen sich so stark gezeigt hat, daß dieser notwendige Ausgleich kaum eintreten kann.

Es ist entschieden für die Beurteilung der Tautschen allgemeinen Pläne in dessen Sinne ungünstig, daß die Mehrzahl der Bemalungsversuche an derartigen künstlerisch recht schwierigen und zweifelhaften Objekten ausgeführt werden muß, ohne daß er gleichzeitig die gesamte Umgebung entsprechend umgestalten kann. Wo es für ihn darauf ankommt, Unschönes durch Farbigkeit zu verschleiern, hat sein Wirken einen mehr negativen als positiven Charakter, und es bleibt zweifelhaft, oh es richtig ist, solchem negativen Wirken einen so breiten Raum einzuräumen, als es die Fülle der schlechten Architekturen der 80er Jahre in Magdeburg erheischen würde. Der Kompromiß bleibt stets allzu deutlich, und das erstrebte einheitliehe Gesamtbild wird wahrscheinlich nicht zustande kommen. Kein Hausbesitzer in diesen gelten unter dem Schutz des Ortsstatuts stehenden Straßen kann gezwungen werden, sein Haus passend zum Nachbar zu streichen und sich hierbei des Rates des Stadtbauamts zu bedienen, besonders wenn es sich um Geschäftstraßen handelt, wo ein Nachbar den anderen überschreien möchte. So sind denn tatsächlich zahlreiche, auch von Taut offen als mißlungen bezeichnete Hausanstriche in Magdeburg zu sehen. Es ist notwendig auszusprechen, daß diese angedeuteten Schwierigkeiten und Gefahren von Taut in vollem Umfange erkannt sind.

Die alte Art des schlichten, leicht getönten Anstrichs mit herausgehobenen Fensterkreuzen, bunten Blumenbrettern und anderen einzelnen Farbpunkten wird daher durchaus ihre Daseinsberechtigung behaupten. So werden denn auch Versuche mit einer klaren, aber schlichten Farbengehung in dem letzteren Sinne erfreulicherweise und im Zusammenwirken mit dem Stadtbauamt viel gemacht. Man geht auch dazu über, bunte Verbländarchitekturen nur durch lebhaften sauberen Anstrich wieder aufzufrischen, ohne den Architektur- und Formen Charakter zu zerstören, und beschränkt sich dabei mehr auf Verbesserungen durch Abtönen als durch Abtöten.

Ein anderes Problem ist es, guten oder erträglichen Architekturen durch Hinzufügung der Farben einen erhöhten Reiz zu verleiben.

Taut selbst hat durch die Bemalung des Kathauses hier das tatsächlich beste Beispiel geliefert; durch geschickte Auswahl der kräftigen Farben ist er gleichzeitig der Formensprache der vorhandenen Architektur gerecht geworden. Farbe und Architektur ergänzen sich gegenseitig in glücklichster Weise zu einem harmonischen Bilde. Zwar fehlt ihm noch der dringend notwendige Rahmen, die Umgebung des Rathauses ist noch unfertig; ein anfängliches Befremden über die brennroten Sockel und Pilaater, die gelben Figuren und Kapitelle schwindet schnell. Ehrlich muß man den überdeckten Laubengang mit seiner kräftigen Gewölbeberaalung als schön und harmonisch anerkennen, und überrascht wird jeder von der Rückseite des Rathauses sein, die trotz grellbunter Farben so wohlüberlegt und ruhig und heiter wirkt, daß der Anblick nur Freude an dem gelungenen Werk auslösen kann. Zweifel bleiben noch offen, ob es Taut gelingen wird, auch den Platz um das Ratbaus herum einheitlich zu gestalten. An der Rückseite ist es geglückt. Hier wirkt der Baumbestand günstig mit. Über den Marktplatz selbst zu sprechen, erscheint verfrüht, da hier erst ein Haus in der Umgebung des Rathauses angestrichen ist. Manche gute Hausteinfassade wird wohl dem Malerquast trotzen und in ihrer jetzigen Form und Färbung als konstanter Faktor berücksichtigt Isleiben müssen.

Ein Gang durch die Westerhüser Straße zeigt, daß diese ödeste aller Kasernenstraßen durch die Hand des Malers ihr Recht, Daseinsfreude zu äußern, wieder erhalten hat. Die Grundsätze, die wir am Haus der Volksstimme angewendet fanden, sind hier weiter durchgeführt und haben zu einem geschlossenen einheitlichen Straßenbilde verarbeitet werden können. Nur an einem Hause ist man doch recht weit über das Ziel geschossen. Es fällt recht unangenehm aus dem Rahmen. Kritik übte ein Kind der Straße, welches sagte: „Hier hat der Blitz eingeschlagen». Die Fläche ist tiefblau, über die unschönen Gipsformen und Fenstergewände hinweg sind in willkürlictier Anordnung einzelne Farbenpunkte verteilt, eine zickzackartige grellgelbe Linie zuckt von oben her sich gabelnd über einen großen fTeil der Fassade hinweg. Der Zweck, die „Architektur» völlig zu unterdrücken, ist erreicht, aber erhebend ist der Erfolg an diesem Hause keineswegs. Diese Straße ist ein Beispiel, wie es in einer ungeschützten Straße gelungen ist, ein einheitliches Vorgehen zu erzielen. Erleichtert wurde dies offenbar dadurch, daß es sich hier nicht um eine Geschäftstraße, sondern um eine Wohnstraße handelte.

Am radikalsten ist diese Aufgabe des Verschwindenlassens der Architektur beim Warenhaus Barasch angefaßt worden; man hat die Architekturformen buchstäblich entfernt und die glatte Hauswand mit den viereckigen Fensteröffnungen nach Art der Fliegerbemalung, jedoch in eckigen, durcheinandergeschobenen Flächen und in schmutzig-gebrochenen Tönen, bedeckt. Schon in kurzer Entfernung tritt dies Haus hinter seiner Umgebung in der Erscheinung völlig zurück. Nur vom Markt her, wo es das Straßenbild abschließt, macht es den Eindruck eines nebelartig wirkenden Theaterhintergrundes. Man könnte diese Leistung als negatives Rokoko bezelchnen, in dem Gedanken, daß das Rokoko die äußerste Ekstase im positiven künstlerischen Ausdruck bedeutet, während diese Hausbemalung grundsätzlich auf jeden künstlerischen Akzent verzichtet und den Grundsatz des Verneinens bis zum Äußersten treibt. Möglich, daß es Absicht war, den an sich zur künstlerischen Hervorhebung besonders geeigneten Punkt so lange aus der Umgebung als künstlerischen Faktor auszuschalten, bis der Straßenanlieger einmal in der Lage ist, etwas Würdiges und künstlerisch Wertvolles dort hinzusetzen. — Diese Absicht vorausgesetzt, kann man Taut und dem Maler zu dem Erfolge nur Glück wünschen. Es ist ein unscheinbares „Loch» geschaffen. Solches Handeln kann aber nicht den Weg zu positiven künstlerischen Zielen bilden. Es käme vielmehr dem Selbstmord künstlerischen Wollens gleich, wollte man es zum altgemeinen Grundsatz erbeben. Möglich auch, daß es sich hier um eines der Werke jener neuen, völlig abstrakt sein wollenden Kunst handelt, die nur aus der innersten Gedankenwelt des Künstlers erklärbar ist und sein will, ohne daß das Kunstwerk selbst über diese Gedankenwelt Aufschluß zu geben geeignet oder bemüht ist. Auch die etwaige Absicht des Hausbesitzers, mit diesem Hausanstrich Reklame zu machen, ist bis zu einem gewissen Grade erfüllt. Das Haus fällt auf, aber durch Unscheinbarkeit, und wirkt neben nachbarlichem Tamtam in seinem absoluten Nichts immerhin als eine Art Ruhepunkt.

Überhaupt spielt die Kücksicbtnahme Tauts auf die Reklame eine große Rolle; es werden Versuche aller Art angestellt; unter anderem wird gelegentlich die schreiende Reklame als etwas Gegebenes hinzunehmen versucht, um aus dem Kunterbunt und Durcheinander eine Art Harmonie der Disharmonien zu schaffen. Ein Reklaraezaun, Breiter Weg 109, dürfte ein Beispiel dafür sein. Es scheint hier der praktische Beweis erbracht worden zu sein, daß Reklame an sich unkünstlerisch ist und weder durch künstlerische Ausgestaltung, noch durch vollständiges Sichauslebenlassen ihres innersten Gesetzes, des lauten Schreiens, zu einer künstlerischen Einheit gebracht werden kann; jedenfalls muß dies von dem Nebeneinander der Reklame verschiedener Firmen gelten. Hat eine einzelne Firma aber eine ganze Hauswaud zur Verfügung, so ist erfahrungsgemäß eine gute und -möglichst schlichte Architektur stets auch gleichzeitig die wertvollste Reklame. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß dieses Beispiel des Reklamezauns doch vielen die Augen über das Unsinnige der schreienden Reklame öffnet. Die Absicht des Geschäftsmanns, dem Publikum einen Wegweiser hinzuhalten, wird bei allgemeiner Ruhe und Zurückhaltung in der Hausreklame am besten erfüllt. Es muß aber vielen erst das unsinnige Extrem gezeigt worden, bevor sie sich auf die schlichten Mittel wieder besinnen. In diesem Sinne scheint der Tautsche Reklamezaun auch gedacht zu sein. Sehr bedauerlich ist es, daß es nicht gelungen Nummer 93 ist, gelegentlich des Anstrichs zweier schöner alter Rokokohäuser die abschreckend häßliche Reklame eines Optikerladens vom Breiten Weg zu entfernen; das Innere des Ladens ist so vorzüglich gelungen, das Äußere bildet den denkbar ungünstigsten Gegensatz dazu, der auch neben der besonders guten Tautschen Außenbemalung sehr stark in die Erscheinung tritt.

Ein erfreuliches Bild ist schließlich noch in der Gartenstadt Reform im Entstehen begriffen, wo Kleinsiedlungshäuser eng aneinaudergereiht sich in lustiger, fröhlicher Buntheit zeigen, wie sie uns von unseren Bauernhäusern her mit ihrer Fachwerkbemalung bekannt ist. Es fehlt in der Magdeburger Anlage nur noch das verbindende Grün, um das Bild zu einer Einheit zu runden. Die gleichmäßige Ausbildung der Dächer tut bereits das ihrige, um diese Einheit jetzt schon fühlen zu lassen.

Wer schließlich noch eine Wanderung zum  Parkrestaurant Klosterbergegarten unternimmt, wird an der bunt und freundlich bemalten Schinkelarchitektur eine freudige Überraschung erleben. Ihrer Feierlichkeit wird durch den keck-fröhlichen Anstrich eine menschlichfrohe Note hinzugefügt, die zu dem Zweck des Gebäudes im besten Einklang steht.

Die Aufgabe, die sich Taut gestellt hat, ist allseitig. Sie verfolgt positive und negative Ziele, jedes an seinem Platze. Er hat weiter die Möglichkeit geschaffen, das gesamte Farbenproblem in nahezu erschöpfender Weise zu studieren und auszuproben. Wer Magdeburg aufmerksam durchwandert, wird Taut dafür dankbar sein. Es liegt in der umfassenden Art, wie er die Aufgabe anfaßt, daß die Widersprüche aufeinanderstoßen müssen, aber nur so können gründliche Erfahrungen gesammelt werden. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die Entgleisungen betrachtet werden, die an sehr vielen Stellen vorgekommen sind. Aber sie sind nicht tragisch zu nehmen. Nur wer gelegentlich einmal über die Stränge schlägt, lernt die Grenzen kennen, in denen er sich bewegen kann. Wer wollte es einem Künstler daher ernstlich verargen, auch an äußersten Beispielen die Grenzen des Möglichen feststellen oder nachprüfen zu wollen. Das sich daneben breitmachende sensationssüchtige Philistertum wird bald erschlaffen und sich von Kampfplane zurückziehen. Die Leistung Tauts am Rathause zeigt, daß sein eigenes Streben auf Straffheit und Zucht und Achtung vor dem bestehenden Schönen gerichtet ist. Die Anwendung der Farbe erfordert ein festes, energisches Zugreifen und in gleicher Weise feinstes Abwägen: sie muß gemeistert werden und hat engere Grenzen, als es den Anschein haben mag. Es wird in Magdeburg deutlich, daß ein farbig einheitliches Stadtbild nur durch Vorgehen nach einheitlichem Plane geschaffen werden kann. Möge es Taut im vereinten Arbeiten mit der Künstlerschaft vergönnt sein, das allgemeine Vertrauen seiner Mitbürger zu erlangen, die Magdeburger Handwerker allmählich zu künstlerischen Grundsätzen zu erziehen und im Bürgertum den Sinn für die Farbe und für einheitliches Handeln wieder zu erwecken. Dann wird in Magdeburg etwas Schönes entstehen; dann wird vielleicht auch einmal die Zeit kommen, wo es sich nicht nur mehr darum handeln wird, die Architektur zu färben, sondern auch die eigentliche Malerei im architektonischen Rahmen anzuwenden.»

Под-Таута

Сегодня его традицию продолжают в Билибино, на Чукотке.

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